Schloss Wocklum

Schloß Wocklum, Hoffront des Herrenhaus Wenige Kilometer nordöstlich von Balve im Orlebachtal, am Fuß des Burgberges ("Olle Borg"), liegt das Gut Wocklum, eine ausgedehnte Wasseranlage mit zweiflügeligem Herrenhaus, einer nordwärts sich anschließenden Gruppe teils älterer, durch Umbau veränderter Wirtschaftsgebäude und einer Traverse als Zufahrt.

Als letzte und erstmals urkundlich bezeugte Vertreter des namengebenden Rittergeschlechts von Wockelhem (Wocklum) sind in der 1. H. des 14. Jh. der Knappe Albert von Beckum gen. von Wocklum und Hermann von Beckum, Söhne des Albert von Wockelhem, und seiner Ehefrau Adelheid von Hachen, nachweisbar. 1370 erscheint der mit der Familie von Wockelhem blutsverwandte Albert von Böckenförde gen. Schlüngel, kurkölnischer Amtmann zu Balve, als Besitzer von Wocklum. Für einen Geldbetrag, den er seinem Landesvater für den Ankauf der Grafschaft Arnsberg geliehen hat, wird ihm eine Rente verschrieben. Einer seiner vier Söhne, Gervin von Böckenförde gen. Schüngel, wurde Probst zu Wedinghausen (1407 - 1453). Dessen Bruder Albert verkauft Haus Wocklum an Hinrich Droste, sein gleichnamiger Sohn erwirbt es 1440 wieder zurück.

Seit dieser Zeit scheint Wocklum zwei Besitzerfamilien in getrennten Häusern gehabt zu haben. Eine Hälfte ging in den Besitz der Familie Hase und 1451 von dieser mit der Mühle und den zugehörigen Höfen an Johann von Böckenförde gen. Schlüngel über, der Droste zu Balve und Mitglied der Ritterschaft des Amtes Balve war. Er und seine Ehefrau Neise besaßen Güter in Balve und Mellen und vorübergehend den Hof zu Binolen. Ihr Besitznachfolger zu Wocklum war der älteste Sohn Johanns von Böckenförde gen. Schlüngel, der als Amtmann zu Arnsberg und Landdrost von Westfalen (1488-1524 das höchste Amt im Herzogtum Westfalen bekleidete. Er war in zweiter Ehe mit Agatha von Fürstenberg zu Waterlappe verheiratet. Heinrich von Schlüngel zu Wocklum, Nachfolger seines Vaters im Amt des Landdrosten, und seine Ehefrau Elisabeth von Pentling stifteten des Armenhospital in Balve. Nach der Marmortafel in der Schlüngelschen Grabkapelle auf dem Kirchplatz St. Blasius in Balve ist er 1561 gestorben.

Hermann von Hatzfeld (1530 - 1600), durch sein Ehebündnis mit der Erbtochter von Schlüngel Schloßherr zu Wocklum und Droste zu Balve, war ein erbitterter Gegner des abtrünnigen Erzbischofs Truchseß zu Waldburg, der 1583 die beiden Häuser zu Wocklum zerstörte. 1603 wurde ihm in der Kirche zu Balve ein Epitaph gesetzt. Durch die Heirat seiner erbberechtigten Nichte Margarete von Hatzfeld gelangte das halbe Wocklum um 1590 an die von Böckenförde gen. Schlüngel zu Echthausen, bei denen es bis 1659 blieb, als der Balver Droste Ernst Dietrich von Schlüngel seinen Wocklumer Anteil an den Landdrosten Dietrich Freiherr von Landsberg (gest. 1684) verkaufte. Dieser hatte 1646 die Erbin der anderen Wocklumer Hälfte, Anna Katharina von Plettenberg, geheiratet.. Damit wurde die zweihundert Jahre andauernde Trennung der beiden Wocklumer Häuser beendet. Zur Verhinderung einer neuen Aufsplitterung wurde 1681 ein Fideikommiß gegründet.

Das Plettenbergische Haus hatte seit Mitte des 15. Jh. eine ebenfalls der Ritterschaft des Amtes Balve zugehörige verwandte Linie der von Schüngel, danach Melchior Wrede zu Frönsberg als Gatte der Erbtochter Maria Schüngel (1570) und zuletzt die von Plettenberg besessen. Für Spekulationen über seinen Standort bietet der Urriß von 1829 im Raum östlich des vorhandenen Herrenhauses mit zwei Umfluten ebenso viele Möglichkeiten an. Zur Zeit Dietrich von Landsberg, der sich als Landdrost in Arnsberg den - später mehrfach erneuerten - Landsberger Hof einrichtete, erlebte das Schloß im September 1664 die Einquartierung des Kurfürsten von Köln und des Bischofs von Straßburg, die mit Hofstaat und Troß in Wocklum Rast machten und das Fassungsvermögen der Unterkünfte auf eine harte Probe stellten.

Unter Dietrich von Landsberg ältestem Sohn Franz Anton, den Fürstbischöflich Münsterschen Generalleutnat, sind von 1698, als ein "gar deplorabler Zustand" der Gutsgebäude aktenkundig geworden war, bis 1732 den Bauakten zufolge laufende Baumaßnahmen, namentlich zur Errichtung eines "neuen Flügels" , durchgeführt worden. Aus dem Jahre 1708 ist die Lieferung von Haussteinen für 14 große Fenster und die Lizenz zum Bau einer neuen Kapelle für den Wocklumer Altar schriftlich verbürgt. Franz Anton von Landsbergs jüngerer Bruder Ferdinand Franz, der mit pästlicher Erlaubnis auf seine Domherrenwürde verzichtet hatte, um den Mannesstamm der Familie nicht aussterben zu lassen, und seine Ehefrau Maria Theresia geb. von der Reck vollendeten den Hauptflügel 1752 in seiner heutigen Gestalt.

Ferdinand Franz von Landsberg seit 1756 mit der Erbtochter der Familie von Velen, Anna Theresia, verheirateter Sohn Clemens August ließ sich anschließend eine außergewöhnlich reiche Ausstattung der Innenräume angelegen sein. Sein Plan zur Vergrößerung des Kapellenflügels, für den der Fürstlich Waldeckschen Major und Baumeister Johann Matthias Kitz aus Arolsen gewonnen hatte, und weitere Bauentwürfe der berühmten münsterschen Baumeister Wilhelm Ferdinand Lipper und Adolf von Vagedes wurden nicht aufgeführt, wahrscheinlich weil er und die nächstfolgenden Generationen ihren Hauptwohnsitz nach Velen und Gemen verlegten, von wo aus sie eine intensive öffentliche Wirksamkeit sowohl im Münsterland als auch in ihrer alten Heimat entfalteten. Johann Ignatz Freiherr, seit 1840 Graf von Landsberg-Velen, Nachfolger des Freiherren von Stein als Landtagsmarschall von Westfalen, baute die 1822 von ihm erworbene Burg Gemen wieder auf und gründete 1855 die nach seiner Ehefrau Louise Gräfin von Westerholt und Geysenberg benannte Louisenhütte und setzte damit die rund 100 Jahre vorher mit dem Bau einer ersten Eisenhütte und eines Eisenhammers eingeleitete industrielle Pionierarbeit fort. Graf Max von Landsberg-Velen (gest.1902) machte sich als Vorsitzender des Westfälischen Bauernvereins und als Initiator zur Kultivierung von Mooren und Heiden sowie als Parlamentarier einen Namen.

Balve Wocklum, Schloß und Chemiefabrik Wocklum.
Darstellung des Iserlohner Buchhändlers und Malers Georg Müller

Seit 1919, als Max (II) Graf von Landsberg-Velen mit der Reichsfreiin Maria von Oer das Ehebündnis einging, bewohnt die Familie wieder ihren Wocklumer Stammsitz.

Jahrhundertelang war mit dem Hause Wocklum das kurfürstliche Drostenamt in Balve verbunden. Von 1392, als das Amt Balve denen von Schlüngel verpfändet wurde, stellte diese Familie mit kurzen Unterbrechungen die Amtsdrosten und 1685 gelangte die Drosterei an die von Landsberg und blieb bei ihren bis zum Ende des Herzogtums Westfalen i. J. 1802.

Der langgestreckte, über hohem Kellergeschoß zweigeschossige Putzbau des Herrenhauses präsentiert in der Hauptansicht mit dem Mittelrisalit, dem Flachgibel und der doppelläufigen Freitreppe charakteristische Elemente des klassizistischen Barock niederländischer Provenienz. Das Augenmerk konzentriert sich an der sonst schmucklosen Fassade auf das Barockportal, zu dem die großzügig gestaltete Freitreppe in schönen Schwüngen hinaufführt. Auf der Rückfront springen zwei symmetrisch angeordnete einachsige Ausluchten mit kleinen Dreiecksgiebeln vor. Zwischen ihnen führt eine Brücke aus dem Mittelsaal auf ein anmutiges Gartenpaterre. Der Umriß,des geschieferten und mit Schleppgauben versehenen Walmdaches wird durch markante Schornsteinköpfe bestimmt. Im Seitenflügel befindet sich die Schloßkapelle.

Galerie des Herrenhauses Schloß WocklumEbenso wie Form und Größe der rings von einer Gräfte umgebenen Schloßinsel läßt auch die quer zur Hauptachse angelegte Galerie (Vestibül) im Erdgeschoß des Hauptflügels, die sich nach den anschließenden Räumen, nach Salon und Mittelsaal öffnet, eine ursprünglich erweiterte Grundrißplanung als Drei- oder gar Vierflügelanlage nach den möglichen (Galerie-) Vorbildern Schloß Horst und Schloß Hovestadt vermuten. Die Verlegung des Hauptsitzes nach dem westmünsterländischen Wasserschloß Velen mag der Grund für die Nichtausführung dieses Planes gewesen sein. Den ausgeführten Bauteilen wurde jedoch eine aufwendige, teils prunkvolle Innenausstattung zuteil. Um Jagd- und Tierszenen, allegorische Figuren und Alamodefigurinen, Schriftbänder schwenkender Luftgeister und Veduten westfälischer Schlösser, darunter - beziehungsvoll genug - eine vorzügliche Gesamtdarstellung des Velener Schlosses, schlingt sich in den Decken- und Wandmalereien des Vestibüls asymmetrisches Muschel-und Rankenwerk im Modestil der Zeit, originell verquickt mit naturalistisch gemalten floristischen Formen, Blütenkränzen und Laubgehängen. Mit hohem künstlerischen Anspruch sind die angrenzenden Räume ausgestattet, namentlich der Mittelsaal mit der farbig gefaßten Stuckdecke und den Deckengemälden "Das Urteil des Salomons" und "Die Königin von Saba", die im Zuge der umfassenden Restaurierung in den Jahren 1974-1976 ihren alten Glanz zurückerhielten. Aus dem reichen Bestand an qualitätvollen Gemälden, namentlich Porträts des 17. und 18. Jh. von Angehörigen der Familie von Landsberg bzw. Landsberg-Velen, bleibt dem Besucher vor allem das J. Ch. Rincklake zugeschriebene Knabenbildnis des Johann Ignatz von Landsberg-Velen mit einer schöngewachsenen Dogge im Gedächtnis. Besonders hervorzuheben sind die zwei Schränke in der Art chinesischen Lackmalerei mit aufgesetzten, farbig und golden bemalten Motiven auf schwarzem Grund, Beispiele der im 17. und 18. Jh. beliebten Chinoiserie. Der kleinere trägt die Signatur des Meisters Claude Chenoy und das Datum 1718.

Eigentümer: Graf von Landsberg-Velen

***

Quelle: Kracht, Hartmann, Barth: Stadt Balve, in Kunst und Geschichtsdenkmäler im Märkischen Kreis
Herausgeber: Heimatbund Märkischer Kreis 1983

Bildergalerie Schloß Wocklum

 

© Balve-Online.de 2007 - Alle Rechte vorbehalten.
E-Mail: Wolfram Schmitz