Die ersten Eisensucher in Westfalen
Es scheinen die im Sauerland aber vor allem im Siegerland
reichlich vorhandenen Erzvorkommen gewesen zu sein,welche nach dem
Beginn der Eisenzeit in Mitteleuropa keltische Einwanderer um 500
v.Chr. veranlaßten, sich in dieser bis dahin unbesiedelten,
gebirgigen Waldlandschaft seßhaft zu machen und ihre Hütten
aufzuschlagen. Sie brachten von Süden die Eisenverhüttungstechnik
mit und fanden in diesem Gebiet alle natürlichen Voraussetzungen
für ihre Tätigkeit. Neben den eisenhaltigen Steinen waren auf den
Höhen des Landes mächtige Buchen- und Eichenwaldungen vorhanden,
die genügend Holz für die Verkohlung lieferten. Denn schon die
frühen Menschen hatten die Erfahrung machen und nutzen können,
daß beim Verbrennen von Holz die in der Glut gewesenen Stücke
wieder verwertbar waren, da sie von Neuem brannten. Ferner stellte
das regenreiche Land mit seinen vielen Bächen und Flüssen
reichlich Wasser zur Verfügung.
Zur Verhüttung der Erze legten sie kleine Schachtöfen aus Lehm
von etwa 1,5 m Höhe in flaschenförmigem Querschnitt mit einem
unteren Durchmesser von 1,20 m an. Die in die oberen Talhänge
eingebauten Öfen wurden mit einem Windkanal versehen, der mit
Steinplatten abgedeckt wurde und beim Schmelzvorgang den aus den
Tälern aufsteigenden Hangwind als natürlichen Zug nutzte. Der
Schmelzvorgang vollzog sich unter Nachfüllen von Kohle und Erz in
etwa 24 Stunden bei Temperaturen bis 1000 Grad Celsius. Dann
wurde die Rohluppe aus dem Muldenherd des Ofens gezogen, auf dem
Hüttenplatz mit Wasser abgeschreckt und durch kräftiges Hammern
von den Schlacken befreit und verdichtet. Schließlich wurde die
Luppe durch nochmaliges Schweißen im Schmiedefeuer zu einem an
beiden Enden spitz auslaufenden Eisenbarren von etwa 5 bis 10 kg
Gewicht ausgeformt. Dieser konnte dann in jedem offenen Herd- oder
Schmiedefeuer zu Geräten, Werkzeugen oder Waffen weiter
ausgeschmiedet werden.
Vom Rennfeuer zum Hochofen
In der Waldschmiedezeit von 1050 bis 1350 brannten im Sauerland
wahrscheinlich 2 - 3000 Rennfeuerhütten, die hier jährlich ca. 150
t Eisen erzeugten. Die mittelalterlichen Rennöfen unterschieden
sich zunächst nicht wesentlich von den Schachtöfen der Frühzeit.
Doch wurde diesen jetzt mit Hand- oder Tretgebläsen ein
künstlicher Wind eingeblasen, der im Ofen höhere Temperaturen und
bessere Schmelzung bewirkte. Eine entscheidende Änderung in der
Eisengewinnung setzte im 13. Jahrhundert ein, als man mit Hilfe des
Wasserrades die Wasserkraft in den Dienst der Gebläse und
Schmiedehämmer zu stellen begann. Das Wasserrad als Beweger der
Gebläse und die zunehmenden Schmelzerfahrungen führten bald zu
einer Vergrößerung der kleinen Rennöfen.
In der Praxis lernte man allmählich, denn die
naturwissenschaftlichen Zusammenhänge waren noch Jahrhunderte
unbekannt, den Kohlenstoffgehalt im Rohprodukt durch nochmaliges
Schmelzen, zunächst im Ofen selbst und dann in Frischherden, zu
reduzieren und das Roheisen in Stahl- und Schmiedeeisen zu
verwandeln.
Da die Kraft des Handhammers für die Verarbeitungsprozesse nicht
mehr ausreichte, wurde auch die Wasserkraft zur Verstärkung und
Bewegung der Hämmer in Dienst gestellt. Neben der Blashütte
entstand die Hammerhütte. Zur Weiterverarbeitung des Roheisens
wurden die Hammerwerke, mit zumeist zwei Rennfeuern, auch einzeln
angelegt. Sie gaben einer vielfältigen Schmiedetätigkeit die
Grundlage. Waren anfänglich Bergbau, Köhlerei, Verhüttung und
Schmiedetätigkeit, in einer Hand, so führte die Vergrößerung des
Gewinnungsbetriebes und der Arbeitsgänge zu einer Arbeitssteilung
zwischen Bergmann, Köhler, Hüttenmann und Hammer- oder
Stahlschmied.
Die Anfänge der Eisengewinnung in Wocklum
Vermutlich schon in der karolingischen Zeit fand die im Tal
angesiedelte Bevölkerung bei feindlichen Einfällen auch Schutz in
den weiträumigen Wallringen auf dem unweit von Balve gelegenen
Burgberg. Auf diesem war eine Wallburg errichtet worden und von
einem dort bis zum 14. Jahrhundert ansässigen Rittergeschlecht
leitet sich der Name des am Fuße des Berges gelegenen Ortes Wocklum
her. An dem hier vorbeifließenden und unweit in der Hönne
mündenden Borkebach ist seit dem Ausgang des Mittelalters
Schmelzbetrieb nachweisbar. Dann wurde durch den Dreißigjährigen
Krieg und seine verheerenden Folgen nahezu 100 Jahre jede
Entwicklung gehemmt. Erzbergbau und Verhüttung lagen darnieder,
Hütten und Hämmer waren verfallen oder beschädigt. Im Jahre 1732
werden Eisenwerke in Wocklum, nachdem sie lange Zeit stillgelegen
hatten, durch ihre Eigentümer, die Freiherren von Landsberg, wieder
in Gang gesetzt.
Der Landdroste Dietrich Freiherr von Landsberg, Herr zu Erwitte,
Brock und Mark, war im Jahre 1646 durch seine Vermählung mit Anna
Katharina von Plettenberg nach Wocklum gekommen. Nach langen
Erbauseinandersetzungen und Ablösen gelangte dieser 1669 in den
uneinschränkten Besitz von Wocklum. Seitdem befinden sich die
sauerländischen Güter, mit Schloß Wocklum im Mittelpunkt, im
Eigentum der Familie von Landsberg, die noch über weitere
Besitzungen um ihre früheren Schlösser Velen und Gemen im
Münsterland verfügt. Zu den besonderen Förderern der Wocklumer
Betriebe gehörten im 18. Jahrhundert Clemens August von Landsberg
(1733 - 1785) und im 19. Jahrhundert Johann Ignaz von Landsberg
(1788 - 1863), nach dessen Gemahlin Luise, geb. Reichsgräfin von
Westerholt und Gysenberg, die Hütte im Jahre 1835 den Namen
Luisenhütte erhielt.
Ein erster "Montankonzern"
Durch die Initiativen der Freiherren von Landsberg wurden die
Wocklumer Betriebe im 18. Jahrhundert zu dem Schwerpunkt
industrieller Eisengewinnung im nördlichen Sauerland. Bei
ständiger Anpassung der Anlagen an den Stand der Technik, erreichte
hier die uralte Holzkohletechnik bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts
ihre letzte Phase, bis sie durch das neue Zeitalter der
Steinkohletechnik abgelöst wurde.
Als die im nahen märkischen Ausland gelegene Sundwiger Hütte in
Hemer in finanzielle Schwierigkeiten kam und ihr Betrieb auch
technisch dem Verfall nahe war, beteiligten sich die Freiherren von
Landsberg von 1775 bis 1819 mehrheitlich an ihren gewerkschaftlich
geführten Betrieb. Ebenso unterstützten sie von 1792 bis 1796 das
dem Freiherrn von Dücker gehörende Eisenwerk in Rödinghausen,
heute Lendringsen, während sie seine Grevenborner Hütte (am
Ausgang des Hönnetals, Mündung des Asbecker Bachs, weitgehend
überbaut von der Trasse der Hönnetalbahn)1818 erwarben und wieder
in Betrieb setzten. Durch die erheblichen Kapitalaufnahmen für
diese Investionen übernahmen sie das unternehmerische Risiko für
die Erschließung des Montanreviers im nördlichen Sauerland, zu dem
sich das mittlere Hönnetal zwischen Balve und Röndinghausen und
das östlich von Iserlohn liegende Gebiet mit den Orten Sundwig,
Hemer bis Dahle entwickelte und in dessen Mittelpunkt die Hochöfen
in Sundwig, Rödinghausen, Grevenborn und Wocklum standen.
So wurden durch diesen Montankonzern zwischen den beiden Territorien
schon vor dem Wegfall der Grenze nach dem Wiener Kongreß 1815 enge
Wirtschaftsbeziehungen herbeigeführt,von denen sowohl der
nordwestliche Raum des früheren Herzogtums Westfalen wie die
Grafschaft Mark Nutzen zogen. Besonders das Hönnetal kam
unmittelbar in Verbindung mit der hochentwickelten Eisenverarbeitung
in der Mark.
Die
Wocklumer Bergwerke
Zur Versorgung der Wocklumer Hütte mit Eisenstein setzte auf den
umgebenden Höhen um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine rege Bergwerkstätigkeit
ein, bei der man wiederholt auf "die Arbeit der Alten"
stieß. Im Gegensatz zu dem im Felsenmeer stockwerkartig, in Nestern
und Klüften auftretenden Eisenstein, fand sich dieser hier zumeist
gangartig. Der dadurch bedingte Untertagebau stellte an den Bergmann
dieser Zeit erhebliche Anforderungen. Doch gelang es ihm mit Hilfe
neuer Werkzeuge,wie Bohrer, Schlägel und Eisen, die Stollen und
Schächte zu einer schon beachtlichen Teufe bis zu 23 Lachtern, d.h.
fast 50 m vorzutreiben. Die Bergtechnik hatte dabei besonders mit
den bereits in oberen Teufen eindringenden Wassermengen zu kämpfen.
Auch bildete die für die Sicherheit der Bergleute und der Gruben
notwendige Versorgung mit guten Wettern ein ständiges Problem. Zu
den ersten Gruben Husenberg und Vosloh trat bald eine Anzahl kleinerer
und größerer Gruben, so daß bis 1775 etwa 15 Gruben in Betrieb genommen
wurden. Aus ihnen wurde im Jahre 1770 die höchste Förderleistung
von 1248 Fudern Eisenstein (1 Fuder = 1000 Pfund) erzielt.
Da
einige Gruben wieder aufgegeben oder zeitweise stillgelegt werden
mußten, nahm man bald auch Schurfarbeiten in größerer Entfernung
auf, um neue Bergwerke in Betrieb zu setzen,damit ausreichende
Vorräte an Eisenstein für die Schmelzkampagnen zur
Verfügung standen.
So wurde unter der zielbewußten Leitung des Freiherrn der
Bergwerksbetrieb auf breiter Grundlage eingerichtet und dadurch die
Erzversorgung der Hütte gesichert und ihr Wirkungsbereich
erweitert. Auch in den folgenden Jahrzehnten wurde die
Eisensteinförderung nie unterbrochen,und noch vor dem Ende des
Hüttenbetriebes wurde gleichzeitig aus immer 15 Gruben Erz
gefördert.
Die Erzvorkommen hatten allerdings einen geringeren Eisengehalt als
im Siegerland: er lag im allgemeinen zwischen 17 und 41% und im
gesamten Durchschnitt bei nur 24,5%. Eine reichere Ergiebigkeit
wiesen die bei Wocklum gelegene Beckumerschlade und die Grube
Henseneiche auf, die 1825 eine Pferdegöpelmaschine als
Förderanlage erhielt. Schienen wurden erstmals 1845 in der Grube
Husenberg installiert. In der entfernter gelegenen Grube Bohnelohe
fand man auch einen Eisenstein, der 50% Eisen führte. Unter
mehreren bei Langenholthausen liegenden Gruben war der
Limmersteinerzug die ertragreichste Grube. Diese erbrachte in den
50er Jahren des 19. Jahrhunderts bei einer Belegschaft von 25 Mann
eine jährliche Förderung von etwa 1000 Tonnen. Als die
Luisenhütte ihren Betrieb einstellen mußte, hörte in diesem
Gebiet auch jeder Bergbaubetrieb auf, der über hundert Jahre lang
einer größeren Zahl von Bergleuten und ihren Familien eine
Existenzgrundlage gegeben hatte.
Holzkohle wird Engpaß
In den Waldungen der Freiherren von Landsberg stand anfänglich
das für die Gewinnung von Holzkohle besonders geeignete Buchenholz
in ausreichendem Maße zur Verfügung. Der Meiler wurde
schichtenweise aus Holzscheiten zusammengesetzt und außen mit
Reisig, Tannennadeln, Blättern und Rasen abgedeckt. Die Kunst des
Köhlers bestand nun darin, die etwa zwei Wochen dauernde
Verbrennung so zu leiten,daß der gesamte Holzstoß des Meilers
gleichmäßig und ohne Asche verkohlt wurde.Für den Bedarf des
Wocklumer Hochofens wurden zumeist von Bauern in der Zeit von Mai
bis Oktober ständig eine Anzahl Meiler unterhalten, die monatlich
einmal abgebrannt wurden. So ergaben sich schon für drei Meiler 18
Abbrände, die insgesamt 180 bis 200 Fuder Kohle lieferten. Diese
wurden dann zu dem Hüttenplatz transportiert und in dem dort
errichteten großen Kohlenschuppen gespeichert,welcher die Holzkohle
vor Nässe schützte.
Der ansteigende und bei dem geringen Erzdurchsatz auch
verhältnismäßig hohe Kohlebedarf des Hochofens konnte gegen Ende
des 18. Jahrhunderts nicht mehr allein aus den eigenen
Waldbeständen gedeckt werden,ohne diese in absehbarer Zeit zu
vernichten. Denn 3 Einheiten Holz ergaben 1 Einheit Kohle,und da zur
Verhüttung das etwa Vierfache an Holzkohlen gegenüber 1 Einheit
Eisenerz erforderlich war, wurden 12 Einheiten Holz für 1 Einheit
Eisenerz benötigt. So mußte für den Hüttenbetrieb auch fremde
Kohle bezogen werden. Doch auch diese wurde im Zuge ihres wachsenden
Verbrauchs bei der vielfältigen Schmiedetätigkeit auf den
Frischherden im Sauerland immer knapper und teurer.
Wie sein Großvater Clements August im 18. Jahrhundert, war Johann
Ignaz von Landsberg nach dem napoleonischen Kriegen im 19.
Jahrhundrt bestrebt, die Hütte mit kaufmännischer Sorgfalt zu
leiten und ihre Anlagen dem technischen Fortschritt anzupassen. Dazu
hatte er schon in seiner Studienzeit ein ausgeprägtes
naturwissenschaftliches Interesse entwickelt. So faßte er den Plan,
die Verkohlung nicht mehr im Meiler, sondern in geschlossenen Öfen
vorzunehmen,bei der auch leichteres Holz verwendet werden konnte,
das für die Meilerkohle unbrauchbar war. Für dieses Vorhaben und
die damit verbundenen Laborversuche holte er Friedrich Herold nach
Wocklum, der von 1809 bis 1818 an der Universität Münster die
erste Professur für pharmazeutische Botanik inne hatte. 1822
entstand in der Nähe der Hütte die "Kohlefabrik" in der
in vier Öfen die "chemische" Kohle erzeugt wurde. Durch
diese konnte nun der Engpaß in der Kohleversorgung gemildert
werden, auch waren ihre Herstellungskosten gegenüber denen der
Meilerkohle um etwa ein Drittel geringer. Bei ihrem Einsatz im
Hochofen stellte sich jedoch bald heraus, daß sie gegenüber der
Meilerkohle weniger widerstandsfähig war, was einen quantitativ
höheren Verbrauch an chemischer Kohle zur Folge hatte.Man
verwendete nun ein Gemisch von chemischen und Meiler Kohlen und noch
1855 wurde ein Drittel chemischer Kohle als Zusatz aufgegeben. Da
bei der Verkohlung auf chemischem Wege auch Nebenprodukte, wie Teer
und Holzessig anfielen, ergab sich durch diese ein zusätzlicher
Ertrag. Aus der Holzkohlefabrik ging eines der ersten chemischen
Werke in Deutschland hervor, das bis vor wenigen Jahren in Wocklum,
neben dem Schloß betrieben wurde. (Heute: Chemische Fabrik Wocklum
Gebr. Hertin GmbH Co. KG).
Die Luisenhütte
Im
Mittelpunkt der Wocklumer Betriebe stand die Schmelzhütte, die
vermutlich noch keinen "Hochofen" besaß, als die
Eisenwerke 1732 wieder in Gang gesetzt wurden. Sie muß aber 1748
einen höheren Ofen erhalten haben, als die Hütte nebst einem
Eisenhammer für 621 Rtlr. neu gebaut wurde. Denn als die Anlagen
1758 von Clemens August von Landsberg übernommen wurden, fand
er ein von seiner Mutter "in ihrem Wittibenstand zur perfection
gebrachtes Eisenbergwerck" vor, das "bereits soviel
Eisenstein in Vorrath verschaffet, daß gahr gemöchlich vier
bis fünf voller Jahre davon gehüttet werden möge."
Jedenfalls war die für Clemens August mit unternehmerischem und
organisatorischen Geschick bald erreichte gewerbliche
Eisenproduktion schon ein höherer Ofen erforderlich, der eine
Wochenleistung von 200 Zentnern und darüber ermöglichte. In der
Zeit von 1758 bis 1775 wurde eine Gesamtproduktion von 42 357
Zentnern Roheisen erbracht. Nach einer Zeichnung aus dem Jahre 1780
hatte der Ofen wahrscheinlich eine Höhe von 21 Fuß (6,59m). Auch
sonst ist über die erste Einrichtung wenig bekannt, doch dürfte
ihre Grundlage der entsprochen haben, die der Besucher auch heute
vorfindet.
Die
in einem Gebäudekomplex untergebrachte Gesamtanlage, bestehend aus
Hochofen und Gießhalle,Gebläsehaus und Feingießerei, wird
beherrscht durch das Schmelzgebäude mit dem aus Bruch- und innen
mit feuerfesten Steinen gemauerten Ofen,dessen anfänglich
viereckiger Kernschacht 1842 durch einen runden ersetzt wurde. Da
der Borkebach nur ein geringes Gefälle hatte, leitet man das Wasser
durch einen 1200 m langen Graben, der bis zur Hütte etwa 7,5 m
Gefälle hatte, in einem etwas oberhalb der Hütte liegenden Teich .
Dieser diente gleichzeitig als Sammelbecken zur Wasserspeicherung
für wasserarme Zeiten. Von dem Hüttenteich führte eine hölzerne
Rinne mit zwei Absperrschützen das Wasser zu dem im Gebläsehaus
befindlichen mittelschächtigen Wasserrad, mit 5 m Durchmesser und
26 Schaufeln bei einer Breite von 1,50m, das zur Erzeugung der
Gebläseluft ursprünglich Lederbälge antrieb. Durch einen
verdeckten Graben wurde das Wasser wieder abgeleitet. Es fand
weitere Nutzung zum Antrieb eines Wasserrades für ein Pochwerk, mit
dem die Schlacken zerschlagen wurden. Die mit sieben
eisenbeschwerten Eichenholzstempeln ausgerüstete Schlackenpoche ist
heute nur noch auf einer Aufnahme aus dem Jahre 1892 zu sehen, da
sie 1904 abgebrochen wurde.
Zur
Beschickung des Ofens wurde das Material von den Kohlen- und
Eisensteinmessern über eine aus Holzbohlen gebaute Brücke
gebracht,die von dem hinter der Hütte liegenden Hang in ihr oberes
Gebäude führt. Über diese wurde die Kohlen auf leichten Karren in
geflochtenen Körben, den Respen, und die Eisensteine, die zuvor
geröstet worden waren, in Möllerkarren zum Möllerboden und dann
zur Gicht transportiert, die auch innerhalb des Gebäudes über eine
Treppe erreichbar ist.
Da noch kaum Erkenntnisse über den Verhüttungsprozeß von der
damaligen Naturwissenschaft zur Verfügung standen, blieb es der
praktischen Erprobung und dem Geschick des Hüttenmeisters
überlassen, das günstigste Verhältnis zwischen der Menge der
Eisensteine, zumal von ihnen immer verschiedene Sorten aus den
Gruben zur Vehüttung kamen, der Kohle und auch von Flußspat als
Zuschlag zu finden, damit die Qualität des Roheisens
zufriedenstellend war. Ebenso konnte der Ablauf einer Hüttenreise
wegen der unberechenbaren Naturgewalten von Feuer und Wasser nicht
vorausgesehen werden, wenn das Ofengestell durchbrannte oder die
Wasserzufuhr ausblieb. Die Schmelzkampagne dauerte im Normalfall 18
bis 22 Wochen, denn länger leistete das Gestell, das vor jeder
Hüttenreise ausgebessert werden mußte, keinen Widerstand. Daher
verband der gläubige Hüttenmann das Anblasen des Ofens mit einem
feierlichen Weiheakt.
"Die Hüttenkampagne kann nach geschehener heiliger Benediktion
beginnen", gab der Freiherr am 3.6.1767 seinen Rentmeistern
bekannt.
Bei
der Wartung des Ofens, wobei der Hüttenmeister durch den
Meisterknecht unterstützt wurde, war für einen gleichmäßigen
Gang der Gichten zu sorgen, Kohle und Eisenstein mußten nachgegeben
werden und auch die Windzufuhr war zu regeln. Das Roheisen wurde
zumeist zweimal täglich, mittags um 12 und nachts um 24 Uhr,
abgestochen. Während man das flüssige Roheisen durch eine
Sandrinne links vor der offenen Ofenbrust in das Masselbett leitete,
ließ man Schlacke ständig rechts aus dem Ofen laufen. Die
stabartig im Masselbett aufgefangenen Roheisenmasseln wurden dann
zur weiteren Ausschmiedung auf die Hämmer verteilt. Über alles an-
und abgefahrene Material führte der Platzknecht in dem noch vor der
Hütte erhaltenen "Verwaltungsgebäude", einen
Gartenhäuschen von 4 x 4 m Grundfläche, Buch.
Zu Anfang wurde von Wocklum nur ein Hammerwerk mit zwei
Frischfeuern, der "obere" Hammer, unmittelbar bei der
Hütte unterhalten. Der Aufwerfhammer wurde durch ein
oberschlächtiges Wasserrad angetrieben, das ebenfalls aus dem
Hüttenteich versorgt wurde.In gleicher Einrichtung wurde 1759 bei
Rödinghausen am rechten Ufer der Hönne der noch erhaltene
"untere" Hammer in Betrieb genommen. Auf den vier
Frischfeiern wurden von 1760 bis 1775 von 14 Mann, den beiden
Hammermeistern und je drei Hammerschmieden für jedes Feuer, 3 158
438 Pfund Stabeisen oder jährlich zwischen 200 000 bis 320 000
Pfund hergestellt. 1779 wurde noch ein dritter, der
"mittlere" Hammer, wahrscheinlich bei der Einmündung der
Borke in die Hönne, angelegt. Dieser hatte nur ein Frischfeuer und
wurde 1820 wieder stillgelegt.Das Roheisen wurde bis 1824 fast
ausschließlich zu Stabeisen ausgeschmiedet, das guten Absatz fand,
da es sich zum weiteren Ausschmieden zu Schneidwaren, Schippen und
ähnlichen Fertigwaren eignete.Bei der Verwendung geeigneter Erze
wie sie besonders aus der Dahler Grube kamen, ergab sich ein noch
besseres, dem Osemund vergleichbares Schmiedeeisen, das auch der
Drahterzeugung in der Mark diente.
Inzwischen war jedoch die Ablösung der alten Hüttentechnik durch
die Verwendung von Steinkohle im Puddelprozeß in England bereits
erfolgt und gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde dort nur noch 10%
der Roheisengewinnung mit Holzkohle vorgenommen. Nach Aufhebung der
Kontinentalsperre kam das um ein Drittel gegenüber den
Gestehungkosten in Wocklum billigere englische Schmiedeeisen auf den
westfälischen Markt. Bald wurden auch in Deutschland die neuen und
sich weiterentwickelten Verhüttungsverfahren aufgenommen und mit
der Verwendung von Koks im Hochofen um 1840 war das Schicksal aller
Frischfeuer und Holzkohlenhochöfen besiegelt, die sich auf Grund
ihrer Standortlage nicht den umwälzenden Veränderungen anpassen
konnten. Hatten die Freiherren von Landsberg zuvor zumeist nur für
den Eigenbedarf auch Gußwaren aus dem Roheisen produziert, so
stellte nun Ignaz den Betrieb der Hütte immer mehr und schließlich
völlig auf Eisenguß um und stellte die unrentabel gewordene
Stabeisenherstellung auf den Hammerwerken ein. Hierzu eignete sich
das phosphorhaltige Roheisen, da es dünnflüssig war und deshalb
die feinen Vertiefungen der Gußformen füllte und sich auch wegen
seiner Weichheit leicht bearbeiten ließ. Der Guß erfolgte
anfänglich unmittelbar aus dem Hochofen. Als die Anforderungen an
die Gußwaren höher wurden, schmolz man das Roheisen nochmals in
zwei Kupolöfen von 2,60 m Höhe, die schon mit Koks befeuert wurden
und ihren Platz in der geräumigen Gießerei links neben dem
Hochofen fanden, von dessen Gebläse sie auch ihre Windzufuhr
erhielten.
Hauptsächlich
wurden schwere Gußwaren, wie Rohre, Öfen und Roste für grössere
Feuerungen, aber auch viele kleine Gußwaren hergestellt. Die
Gießpfannen wurden dabei durch einen schwenkbaren hölzernen
"Esel" (auch wegen seiner Form Kranich genannt, aus dem
der Kran wurde) transportiert.
Durch technische Umrüstungen war der Graf trotz seiner starken
Inanspruchnahme ständig bemüht, die Hütte den zeitgenössischen
Erkenntnissen der Hüttentechnik anzupassen, soweit sich diese bei
der Ofen- und Gebläsetechnik auf seinen Betrieb nur anwenden
ließen. Hierzu zog er u.a. den um die Verbesserung der
Hochofentechnik besonders verdienten Hütteninspektor J.F.Chr.
Zintgraff (1783 -1861) aus Siegen heran. Nachdem der Ofen 1834/35
auf 24 Fuß (7,54 m) erhöht und das Lederbalggebläse durch ein
Kastengebläse ersetzt wurde, erhielt der Ofen schließlich 1854
eine Höhe von 32 Fuß (10,48 m) mit einer Gicht von 1 m und einer
Rast und Kohlensackweite von fast 3 m Durchmesser. Das bald
veraltete Kastengebläse wurde durch ein doppelt wirkendes
Kolbengebläse ersetzt, dessen beide Gebläsekessel weiterhin durch
das Wasserrad angetrieben wurden. Um auch unabhängig von der
Wasserzufuhr zu sein, setzte der Graf gleichzeitig die neue
Dampfkraft zur Erzeugung des Gebläsewindes ein. Über dem Zylinder
der stehend im Gebläsehaus aufgestellten Dampfmaschine, die etwa 10
PS leistete, wurde der zugehörige Gebläsezylinder mit 1,1 m
Durchmesser angebracht. Der im Kunstguß hergestellte Rahmen der
Maschine zeigt mit seinen Rund- und Spitzbögen noch das Bemühen,
zumeist auch künstlerisch gestaltete alte handwerkliche Technik im
Industriezeitalter fortzusetzen. Der Wind aller Gebläse wurde einem
gemeinsamen Windkessel zugeführt, von dem er den auf der Gicht
angebrachten Röhrenwinderhitzer durchströmte und von dort wieder
zu den Gebläsedüsen von Hochofen und Kupolöfen geleitet wurde.
Dem Wettbewerb nicht mehr gewachsen
Bei der Einsegnung der Hütte nach ihrem letzten Umbau gab der
Kurvikar Pulte am 23.10.1855 noch der Hoffnung Ausdruck, daß sich
hierdurch eine fruchtbare Auswirkung für alle Beschäftigten und
für Handwerker und Geschäftsleute in der Umgebung ergeben möge.
Aber alle Maßnahmen konnte auf Dauer das Ende der Verhüttung in
Wocklum nicht abwenden. Denn zu dieser Zeit erzeugte ein
Kokshochofen im Ruhrgebiet schon täglich 22 t Roheisen, nachdem es
dort 1850 auf der Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim erstmals
gelungen war, einen solchen in Betrieb zu nehmen. Da das
Holzkohleeisen für besondere Zwecke noch Abnehmer fand, konnte der
Wocklumer Betrieb noch ein Jahrzehnt aufrecht erhalten werden. So
produzierte der Hochofen im Jahre 1858 in 219 Tagen 613 t, oder
täglich 2,7 t Roheisen, wozu aus 15 Gruben 33 361 Scheffel
Eisenstein aufgegeben wurden und für 100 Pfund Roheisen ein
Verbrauch von 6,5 Scheffel Holzkohle erforderlich war. In Wocklum
war die letzte Hoffnung,eine Eisenbahnverbindung zum
Steinkohlenrevier zu erhalten. Als aber 1861 durch eine solche die
Ruhr über Hagen und Altena mit Siegen verbunden wurde, wodurch sich
die zahlreichen Hüttenwerke im Siegerland auf die neue
Hüttentechnik umstellen konnten, war die Luisenhütte bei ihrer
verkehrsfernen Lage und ihren nicht ergiebigen Gruben der Konkurrenz
nicht mehr gewachsen und mußte 1865 ihren Betrieb schließen.
Ebenso wurde in der Sundwiger Hütte 1864 die Verhüttung
eingestellt; aber noch heute erinnert die aus ihr hervorgegangene
Maschinenfabrik an ihre ursprüngliche Bestimmung. Um diese Zeit
verlöschten auch auf allen noch vorhandenen Hochöfen im Sauerland
die Gichtflammen und fand die letzte Phase der alten Hüttentechnik
ihr Ende.
Da die Wocklumer Hütte mit ihren wesentlichen Einrichtungen nach
ihrer Stillegung durch die Grafen von Landsberg vor dem Abriß
bewahrt wurde, führte das zunehmende Interesse an der
Technikgeschichte 1939 zu dem Beschluß, sie als Zeuge alter
deutscher Eisentechnik zu erhalten und wieder instandzusetzen.
Die beteiligten maßgebenden technischen Verbände, wie der
Verein Deutscher Eisenhüttenleute und der Verein Deutscher
Ingenieure, aber auch Hütten- und andere Werke brachten erhebliche
Spenden auf, so daß die Hütte 1950 wieder in ihren letzten Zustand
versetzt werden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden
konnte. In den zwischen der Landsbergischen Verwaltung und dem Kreis
Arnsberg 1941 abgeschlossenen Überlassungsvertrag ist 1975 der neue
Märkische Kreis eingetreten, der seitdem besonders rege die Hütte
betreut und sich nicht nur für die weitere Erhaltung ihrer Substanz
einsetzt. So ist mit Unterstützung des Landes NRW das ehemalige
Insthaus gegenüber der Hütte wieder hergestellt, in dem Besucher
betreut werden. Auch die Freilegung eines alten Bergwerkstollens in
Hüttennähe ist erfolgt. Der Eindruck, den die Hütte vermittelt,
in der zudem einige Anlagen in Betrieb gesetzt werden können, wird
ergänzt durch eine anschauliche Dokumentation, welche die
Entwicklung des Hüttenwesens bis in die Gegenwart zeigt.
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